Die Apfelernte wird verladen (ca. 1935). Das "alte Land" westlich von Hamburg ist bis heute für seinen Obstanbau bekannt. Friedrich Hülsmann fotografierte mehrmals während der Ernte, die üblicherweise im Spätsommer/Frühherbst stattfindet. Die Atmosphäre dieser Aufnahme ist geprägt vom warmem Licht der bereits niedrig stehenden Nachmittagssonne; im Mittelpunkt der fotografischen Aufmerksamkeit steht die Rückenansicht eines Mannes mit weißer Schürze, die sein breites Kreuz betont. Kleidung und gepflegter Haarschnitt lassen vermuten, dass der Mann eher zur Gruppe der Endabnehmer gehört als zu den Erntehelfern, die er breitbeinig beobachtet. Die süße Fracht wurde in einer Vielzahl von Körben mit einem Lastkahn herangefahren und auf einem Steg am Ufer abgestellt. Von dort erfolgt der Weitertransport mit Pferdefuhrwerken. Hierbei sind weitere junge Männer und Burschen behilflich, von denen mindestens einer die Uniform der Hitlerjugend trägt: diese versammelte und indoktrinierte während des "Dritten Reichs" Heranwachsende bis zum Alter von 18 Jahren. Seit 1935 bestand überdies eine Verpflichtung, am Reichsarbeitsdienst teilzunehmen – möglicherweise der organisatorische Rahmen für das Engagement für Aktivitäten in der Landwirtschaft. Eine eigentümliche Figur gibt der Junge im Straßenanzug ab, der sich auf dem Steg an einen der Obstkorbstapel lehnt. Er schaut mit etwas törichtem Gesichtsausdruck zum Fotografen, den er offenbar als einziger entdeckt hat...
Junge Frau auf hoher See. Ca. 1934 fotografiert Friedrich Hülsmann aus extremer Untersicht diese bisher nicht identifizierte junge Frau mit fülligen Lippen und buschigen Augenbrauen, die – von der Sonne leicht geblendet – in die Ferne schaut. Das Sommerlicht konturiert weich ihre Gesichtszüge. Neben ihr weht die schwarz-weiß-rote Fahne, die von 1871 bis 1919 Nationalflagge des kaiserlichen Deutschen Reichs war und während der Weimarer Republik als Handelsflagge im Einsatz war. Von 1933 bis 1935 diente sie zwischenzeitlich auch als Trikolore des nationalsozialistichen "Dritten Reichs", bis die Hakenkreuzfahne verbindlich wurde.
ca. 1932 Blick in die Wohnung Possmoorweg (Foyer oder Eingangsbereich/Vorzimmer?) mit Backstein-Kamin und spätbarockem Sessel (Stoffbezug mit Fruchtdekor), darüber ein kleines Fenster mit moderner Bleiverglasung; auf dem Kaminsims Uhr aus der Zeit um 1800 und silberner Leuchter; darüber ein gerahmter Stich aus der Zeit um 1630 mit höfischer Szene. Im Wohnblock Possmoorweg gab es verschiedene Wohnungsgrößen und -ausstattungen; das Appartement der Hülsmanns mit Kamin und Parkett bot gehobenen Wohnkomfort.
Gertrud Hülsmann mit einer Bekannten im Dänemarkurlaub 1936. Die beiden Frauen turnen auf einer Leiter am Strand. Die Aufnahme erinnert an zeitgenössische Modefotografien, die seit den späten 1920er Jahren oft von sportlichen Aktivitäten inspiriert waren. Das Spiel von Licht und Schatten lässt die definierte Armmuskulatur von Frau Hülsmann deutlich hervortreten, nachdem sie ihre Jacke abgelegt hat.
Junge Frau an Bord eines Schiffes, wahrscheinlich Sommer 1933 oder 1934. Hülsmann fotografierte die Frau mit buschigen Augenbrauen und kurzem Haar mindestens zweimal; ob es sich um eine Zufallsbekanntschaft oder möglicherweise die jüngere Schwester seiner Frau handelt, konnte bisher nicht identifiziert werden. Zu ihren Füßen liegt die Kameratasche, in der Hülsmann sonst seine Rolleiflex verstaute.
Auf seinen Ausflügen fotografiert Friedrich Hülsmann gerne sogenannte Nasenschilder oder Ausleger: diese historische Form der Werbung für ein Unternehmen (z.B. Handwerksbetriebe oder Gasthäuser) wird rechtwinklig an der Hauswand angebracht. Die kunstvollen Ornamente, die oft einen symbolischen Hinweis auf die Betreiber des Geschäfts (etwa ihren Namen oder ihr Warenangebot) enthalten wurden meist aus Eisen geschmiedet und oft partiell farbig emailliert. Auf einer Reise nach Dinkelsbühl entdeckt Hülsmann das Schild des Brauereiausschanks von Karl Mühlbacher, das in einem Kranz einen aufsteigenden Greif zeigt. die Wirtshauszier inspirierte seinerzeit auch weitere Amateurfotograf:innen.
Schloss Ahrensburg, übereck aus nordwestlicher Richtung aufgenommen. Hülsmann komponiert seine Aufnahme um einen der vier gleichförmigen Ecktürme herum, den er in die Mitte der Bildachse rückt; der Blick auf den um 1600 in Nachahmung des Schlosses Glücksburg errichteten Bau erfolgt durch kahle Baumzweige hindurch, die sich wie ein graphisches allover-Muster über das Motiv legen. Möglicherweise fotografiert Hülsmann direkt im ersten Winter (1932/33), in dem das ursprünglich privat bewohnte Schloss zum Heimatmuseum geworden war. Außer dem formvollendeten Baukörper fanden auch die weitläufigen Parkanlagen mit Schloßgraben, Brücken und Mühle sowie die Schlosskirche mit den anschließenden "Gottesbuden" (Armenwohnungen) seine Aufmerksamkeit.
Taufengel in der Schlosskirche zu Ahrensburg. Unter Peter Rantzau wurde um 1595 parallel zum Schloss die Kirche mit angrenzenden Gottesbuden (Wohnstätten für Bedürftige) errichtet. Die Decke ist als Himmelsgewölbe blau ausgemalt und mit vergoldeten Sternen versehen; von ihr hängt ein gleichfalls vergoldeter Engel herab, der eine Taufschüssel trägt; mithilfe eines Mechanismus konnte das Figurenensemble im Bedarfsfall weiter abgesenkt werden. Der Engel stammt wahrscheinlich aus der Zeit der Barockisierung der Schlosskirche (um 1715) unter Detlev Rantzau. Hülsmann fotografiert den Engel von mindestens zwei Standpunkten aus. Die Dynamisierung der Skulptur durch das flatternde Gewand kommt in der Variante (Negativ Nr. 1110) besonders gut zur Geltung.
Für eine der "Rhein-Mainischen Braunen Messen" konzipierte Friedrich Hülsmann den Reklamestand der Hansa Mühle. Passend zum übermütigen Slogan "immer obenauf" ragt der Werberuf für lecithinhaltige Kraftnahrung weit in die Höhe der Frankfurter Messehalle – ein originelles Alleinstellungsmerkmal, denn alle anderen Anbieter bleiben innerhalb des durch die Messekojen vorgegebenen Rahmens. Die von der umlaufenden Empore aus aufgenommene Fotografie betont in der perspektivischen Verkürzung der Tafel die dynamische Diagonale des Schriftzugs. Zu den Traditionsausstellern wie Teppichhaus Hermann Eberhard (nachweisbar 1932-1953), Dinges Brotfabrik Offenbach (nachweisbar seit 1904), Henkel/Persil (nachweisbar seit 1907) gehört auch das Bielefelder Unternehmen Dr. Oetker, das in einer "Pudding-Stube" sein berühmtestes Produkt anbietet, das es seit 1894 herstellt.
Das ist noch mal schiefgegangen! Ende der 1920er Jahre nimmt der Autoverkehr auf deutschen Straßen innerhalb und außerhalb der Städte zu und entsprechend kommt es auch gelegentlich zu Unfällen. Bertolt Brecht etwa stieß 1929 mit einem anderen Automobilisten zusammen, der gerade einen Lastwagen überholte, und fuhr dabei seinen Steyr zu Schrott (worüber er in der Zeitschrift "Uhu" berichtete). Friedrich Hülsmann, selbst ein begeisterter Fahrer, wurde Zeuge eines Unfalls in ländlicher Umgebung: einen Transporter hat es – wahrscheinlich mit überhöhter Geschwindigkeit – aus der Kurve getragen und er ist auf kopfüber auf dem Dach gelandet. Uniformierte Ordnungshüter sowie sichtlich erheiterte Schaulustige begutachten den beträchtlichen Schaden. Ob die Fahrertür durch den Aufprall aufgesprungen ist, oder ob der Eigner sie geöffnet hat, um – hoffentlich weitgehend unversehrt – auszusteigen, ist schwer zu entscheiden. Laut Türbeschriftung gehört der Unfallwagen einem Johann Jäger, möglicherweise aus Rendsburg – zumindest gab es dort eine Hindenburgstr., und der Landkreis ist durch das alte Provinzialkennzeichen (IP für Schleswig-Holstein) identifiziert. Sollte sich der Unfall tatsächlich in der Nähe von Rendsburg zugetragen haben, könnte Hülsmann auf der Reise nach Glücksburg dort vorbeigekommen sein.
Der Heuwagen. In etlichen Aufnahmen dokumentiert Friedrich Hülsmann die landwirtschaftliche Arbeit im Alten Land am Übergang von traditionellen Gewerken zu maschinisierten Vorgängen. Besonders malerisch wirkt die Heuernte: mit tiefliegenden Horizont an den Bildkompositionen von C.D. Friedrich orientiert, assoziert die Fotografie das Motiv des Heuwagens von Hieronymus Bosch ebenso wie etliche impressionistische Gemälde, etwa von Camille Corot oder Claude Monet. Das Ochsengespann, das treuergeben seinen Zugdienst versieht, sowie die rechtschaffen arbeitenden Männer und Frauen entsprechen allerdings auch "typisch deutschen", romantischen Vorstellungen vom tätig wirkenden Leben in Naturverbundenheit.
Friedrich Hülsmann porträtiert seine Frau ca. 1934 im Urlaub an der deutschen Ostsee. Geblendet von der Sonne lacht sie etwas gequält in die Kamera, der Wind hat ihre Haare verwirbelt und bläht den kurzen Ärmel ihrer Bluse, was eine leichte Bewegungsunschärfe in der Aufnahme entstehen ließ. Die Fotografie entstand vielleicht am gleichen Tag wie die Bilder, die sie an einer Reling sitzend zeigen, denn sie trägt identische Kleidung (hier ohne Jacke); zwei Herren zu ihren Seiten haben bereits die Oberkörper entblößt, wahrscheinlich um zu baden.
Spielende Kinder im alten Land. Drei kleine Mädchen haben einen am Rand der Dorfstraße abgestellten Karren erklommen. Während zwei von ihnen den Fotografen nicht zu bemerken scheinen, hat das dritte Blickkontakt mit Friedrich Hülsmann und lächelt ihn frech an. Der rechte Arm scheint wie zu einer Parodie des "deutschen Grußes" erhoben, vielleicht zeigt das Kind aber auch nur auf den Mann mit der Kamera, den es gerade entdeckt hat.
Gertrud Hülsmann mit einer Bekannten im Dänemarkurlaub 1936. Mit derselben Begleiterin turnt sie auf anderen Fotografien an einer Leiter. Vom herrlichen Sommerlicht angestrahlt, blicken die beiden Frauen in die Ferne. Offenbar haben sie dort etwas Erfreuliches entdeckt.
Schöne Bescherung
Auf einem Teppich haben Hülsmanns ihre Weihnachtsgaben liebevoll und sorgfältig wie in einem Schaufenster ausgebreitet und mit etlichen Kerzen und Tannenzweigen garniert. Im Vordergrund ist eine Radierung (oder deren Reproduktion) zu erkennen, die Maria mit dem Christkind im Wald zeigt, vielleicht eine „Ruhe auf der Flucht“. Weiterhin sind ein Buch und eine Kette zu erkennen, die bereits aus ihrer Schachtel entnommen wurde. In der Mitte prangt auf einem flachen Metallteller ein Kuchen mit vier Kerzen – ein essbarer Adventskranz? Am hinteren Rand des Teppichs sind vier unterschiedliche Kerzenleuchter aus Silber aufgestellt, wie sie später einen Sammlungsschwerpunkt der Hülsmanns darstellten, dazwischen zwei Schallplatten der Marke Electrola mit weihnachtlicher Hülle sowie eine große Vase mit Tannenzweigen und Weihnachtsschmuck. Auf der Fensterbank Kerzen und Kunstpostkarten; außer religiösen Motiven (z.B. Renaissance-Reliefs mit Engelsdarstellungen) sehen wir weltliche Portraits aus der Zeit um 1500.
Das Ensemble bildet eine interessante Alternative zum typisch deutschen Weihnachtsbaum mit Päckchenpyramide.
Haus der Schlosser-Meisters Otto Königshagen in Buxtehude.
"Gusseiserne Nasenschilder finde ich total interessant." Vermutlich kein Satz, mit dem man heutzutage auf Parties punkten könnte. Ob Friedrich Hülsmanns Fotosammlung verschiedenster schnörkeliger Handwerksarbeiten wohl damals für Begeisterung sorgte? Oder war es schon zu seiner Zeit eine eher außergewöhnliche Faszination?
Auf dem Bild sehen wir die Schlosserei von Otto Königshagen in Buxtehude mit einem geschwungenen Laden- bzw. Werbeausleger über der Tür. Besonders auf den Reisen durch deutsche Städte dokumentierte Friedrich Hülsmann etliche dieser eindrucksvollen Schmiedearbeiten. (Text: Marleen Bönhoff)
Das Haus, das damals die Nummer 163 trug, steht heute noch in der Moortorstraße – inzwischen mit der Nummer 8.